Windkraft – Mit bundesweiten Maßnahmen zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien
Die Windenergie nimmt in den vergangenen Jahren einen immer höheren Stellenwert in der deutschen Energieversorgung ein. So lag der Anteil der erneuerbaren Energien im ersten Halbjahr 2023 bei 46,2 % des Bruttostromverbrauchs.
Bereits seit Jahren ist es Ziel der Bundesregierung, einen stetig wachsenden Anteil am Stromverbrauch über erneuerbare Energien zu realisieren. Die aktuelle Bundesregierung hat es sich nun zur gemeinsamen Mission gemacht, den Ausbau der Produktion von erneuerbarer Energie drastisch zu beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen. Darüber hinaus zeigt auch die durch den russischen Angriffskrieg hervorgerufene Energiekrise einen wachsenden Bedarf an im Inland produziertem Strom und einer allgemeinen Versorgungsunabhängigkeit auf. Vor diesem Hintergrund hat der Bundestag am 7. Juli 2022 das „Osterpaket“ beschlossen. Teil dessen ist u. a. das „Gesetz zu Sofortmaßnahmen für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor“. Dieses Gesetz soll, ausgehend vom 1,5-Grad-Klimaschutzpfad, zu dem sich die Europäische Union im Rahmen des Übereinkommens von Paris verpflichtet hat, die Rahmenbedingungen für eine bereits im Jahr 2035 nahezu vollständig auf erneuerbarer Energie beruhende Stromversorgung schaffen. Ein elementarer Bestandteil hiervon ist die grundlegende Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EGG), die überwiegend am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Mit diesem wurden die Ausbauziele für erneuerbare Energien deutlich angehoben. Beachtlich in diesem Zusammenhang ist ferner die Anpassung des seit dem 20. Juli 2022 bereits verbindlichen § 2 EEG. So bestimmt § 2 EEG nunmehr, dass die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegen sowie der öffentlichen Sicherheit dienen.
Um die EEG-Ziele im Bereich der Windenergie an Land zu erreichen, wurde darüberhinaus als Teil des Osterpakets das „Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ („Wind-an-Land-Gesetz“) beschlossen. Dieses enthält flankierende Maßnahmen für das Erreichen der EEG-Ziele im Bereich der Windenergie an Land. Das Wind-an-Land-Gesetz beinhaltet neben der Einführung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) Änderungen des Baugesetzbuchs (BauGB), des Raumordnungsgesetzes (ROG) sowie weitergehende Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).
Um die Ausbauziele zu erreichen, müssen 2 % der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen werden. Derzeit sind nur rund 0,8 % der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen, wovon lediglich 0,5 % tatsächlich zur Verfügung stehen. Um dieses Ziel zu erreichen, erfolgt im Rahmen des WindBG die Vorgabe verbindlicher Flächenziele (sog. Flächenbeitragswerte) für die einzelnen Bundesländer. So ist künftig in jedem Bundesland mindestens ein festgelegter prozentualer Anteil der Landesfläche für die Windenergie an Land auszuweisen. In NRW liegen die Ziele bis 2027 bei 1,1 % und bis 2032 bei 1,8 % der Landesfläche. Durch das WindBG werden die Länder unmittelbar verpflichtet, die notwendigen Flächen in landesweiten Raumordnungsplänen selbst auszuweisen oder die Flächenausweisung durch die verbindliche Festlegung von Teilflächenzielen an kommunale oder regionale Planungsträger zu delegieren. Die Landesregierung NRW hat daher am 2. Juni 2023 die Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP NRW) beschlossen. Der Entwurf sieht hierbei eine volle Flächenausweisung in den jeweiligen Regionalplänen vor (Teilflächenziele).
Neben den obigen Entwicklungen änderten sich in Folge des Wind-an-Land-Gesetzes zum 01.02.2023 auch die bauplanungsrechtlichen Rahmenbedingungen von Windenergieanlagen: So waren bis zum 31.01.2023 Windenergieanlagen als privilegierte Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB a.F. zulässig, soweit öffentliche Belange nicht entgegenstanden und eine ausreichende Erschließung gesichert war. Um der Gefahr einer „Verspargelung“ der Landschaft entgegenzuwirken, bestand mit § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB zudem die Möglichkeit der Standortsteuerung durch die Ausweisung sog. „Konzentrationszonen“. Diese hatten zur Folge, dass Windenergieanlagen nur noch an den am besten geeigneten Standorten mit möglichst geringen negativen städtebaulichen Auswirkungen zulässig waren. Außerhalb der Zonen waren Windenergieanlagen sodann regelmäßig unzulässig (entgegenstehende Belange). Eine wirksame Konzentrationszonenplanung erforderte daher zwingend ein schlüssiges Planungskonzept für den gesamten Planungsraum, das auf einer Standortuntersuchung basierend erstellt wurde. Dabei waren in ausführlicher und nachvollziehbarer Weise sowohl die positiven Kriterien, die zur Auswahl der Standorte für WEA geführt haben, als auch die negativen Gründe, die es rechtfertigten, WEA im übrigen Plangebiet auszuschließen, zu dokumentieren. Im Anschluss folgte regelmäßig die kommunale Bauleitplanung, bei der neben der Änderung des Flächennutzungsplans auch die Möglichkeit bestand, durch die Aufstellung von Bebauungsplänen detaillierte Festsetzungen und somit bessere Steuerungsmöglichkeiten zu schaffen.
Auf Grundlage der bis zum 31.01.2023 geltenden Rechtslage haben wir für folgende Kommunen Konzentrationszonen für Windkraft mit Ausschlusswirkung geplant: Jülich, Baesweiler, Linnich, Neuenrade, Rees, Düren, Aldenhoven, Gangelt, Kreuzau, Vettweiß, Waldfeucht und Hürtgenwald.
Seit dem 01.02.2023 sind Windenergieanlagen gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB nur noch nach Maßgabe der Sonderregelungen in § 249 BauGB privilegiert, die nun die zentrale Vorschrift für Windenergieanlagen an Land bildet. § 249 Abs. 1 BauGB regelt zunächst, dass § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB auf Windenergieanlagen nicht anzuwenden ist. Folglich ist eine kommunale Planung mit Ausschlusswirkung (bisherige Konzentrationszonenplanung) nicht mehr möglich. Die bestehende Ausschlusswirkung bleibt jedoch zunächst erhalten und entfällt, soweit für den Geltungsbereich des Plans das Erreichen des Flächenbeitragswerts bzw. des Teilziels festgestellt wird. Spätestens aber mit Ablauf des 31.12.2027. Lediglich für ein kleines Zeitfenster bestand auch nach dem 01.02.2023 noch die Möglichkeit, auf Grundlage der Überleitungsvorschrift des § 245e Abs. 1 BauGB Ausschlusswirkung für das Gemeindegebiet zu erwirken. Auf Grundlage dieser bis zum 01.02.2024 geltenden Übergangsvorschrift haben wir auf den letzten Metern der alten Rechtslage Konzentrationszonen für die Stadt Nideggen, die Hansestadt Attendorn, die Stadt Kerpen und die Stadt Zülpich geplant.
An die Stelle der Konzentrationszonen sind nun gewissermaßen die sog. Windenergiegebiete getreten. Werden in einem Land die Flächenbeitragswerte bzw. die Teilflächenziele erreicht, so richtet sich die Zulässigkeit von Windenergieanlagen nach den allgemeinen Vorgaben des § 35 Abs. 2 BauGB (sonstiges Vorhaben im Außenbereich). Werden hingegen bis zum 31.12.2027 die Flächenbeitragswerte nicht erreicht, sind Windenergieanlagen im gesamten, von der Zielfestlegung betroffenen Planungsraum privilegiert.
Auch wenn der grundlegende Planungsauftrag nun bei den Ländern bzw. in NRW bei den Bezirksregierungen liegt, verbleiben den Kommunen dennoch Handlungsmöglichkeiten. Um beispielweise den beschriebenen Ausbauzielen auch unter Aufrechterhaltung der bestehenden Ausschlusswirkung kurzfristig gerecht zu werden und zudem ggf. im Wege des sog. Gegenstromprinzips die Festlegung der zukünftigen regionalplanerischen Windenergiebereiche auf die aus gemeindlicher Sicht am besten für die Windenergie geeigneten Flächen zu lenken, steht es den Kommunen auch nach neuer Rechtslage frei, auf Grundlage von § 245e Abs. 1 Satz 5 bis 8 BauGB weitere Flächen für die Windenergie bereitzustellen (isolierte Positivplanung). Gegenwärtig erstellen wir bereits für einige Kommunen Planunterlagen für eine solche „isolierte Positivplanung“ und befinden uns in Abstimmung mit der jeweils zuständigen Regionalplanungsbehörde.